gehe zurück zum start und ziehe xxx ein.
es geht bei monopoly darum, möglichst viel besitz anzuhäufen und somit die einnahmen zu erhöhen. wer zuerst kein geld mehr hat, scheidet aus. wer bis zuletzt übrig bleibt, hat das spiel gewonnen. die strategie sollte sich also darauf ausrichten, was am profitabelsten ist.
shit happens
wir spielen monopoly - deluxe edition. das spielfeld ist aufgebaut. die ereigniskarten liegen in der mitte und die spielfiguren stehen am start. die bank wartet auf ihren betrieb. das spiel ist anstrengend, es kommt nie so richtig in gang. emotionen zwischen lustlosigkeit und tatendrang, nervenkitzel hängen in der luft. kurze pause, es gilt sich zu öffnen für neue visionen, ambitionen...
s c h o c k / ich bin erschüttert
ein tross von menschen zu besuch. starre mienen der verkünder. es scheint ein besonderes spiel zu sein. hier geht es um etwas ernstes. bleiche und versteinerte gesichter, mulmige bäuche, ratlose und erschreckte spielfiguren. nach kurzer schmerzvoller verkündung ist klar: dies wird das letzte spiel hier in reutlingen werden. taschentuchboxen tauchen auf und werden helfend hingehalten. jemand hat wohl mitgedacht. wie kann man sowas überhaupt menschenwürdig und taktvoll über die bühne bringen?
manche mitspieler können das unglaubliche bereits in worte fassen und in zusammenhänge bringen. zum glück ergreifen sie das wort - obwohl das für mich die schleusen der tränen weit öffnet. sie formulieren einen dankbaren rückblick und erkennen den kampf unseres chefs in der jüngsten vergangenheit. andere sorgen sich weniger um sich selbst als um das gebäude mitten am marktplatz im städtchen. was wird aus den vielen geschichten passieren, die sich hier abgespielt haben. es verschwinden die menschen, die sie erzählen können in allen himmelsrichtungen. die geschichten von partnerschaften, die sich dort gebildet haben, von harter arbeit, von festen und von traditionen, von all den menschen, die dieses haus jemals mit leben gefüllt haben. wer kann diesen raum wieder mit leben füllen, sie wie wir es mit leben gefüllt haben? diplomatische belanglosigkeiten der obrigkeit geben keine konkrete auskunft.
die monopoly-bank öffnet wie gehabt um 10 uhr die türen und das spiel soll wie gewohnt über die bühne gehen. nicht mal eine stunde um sich zu sammeln. ein auf menschen gebautes system vergisst genau diese menschen. keiner will würfeln...aber das spiel muss weitergehen!
konkreteres kommt dann in der zeitung, die pressemitteilung gibt einen etwas besseren aufschluss. und stürzt eine ganze stadt in eine sinnkrise.
erste offizielle beileidsbekundungen aus dem umfeld. "zunächst sind unsere gedanken bei den 128 mitarbeitern, die von der schließung unmittelbar betroffen sind"
plötzlicher tod...aus dem leben gerissen.... es ist jede menge zeit, und auch wieder keine zeit, sich damit abzufinden. die würfel rollen unaufhaltsam weiter.
l e u g n u n g / a b l e h n u n g / ich kann das nicht glauben!
die tage nach der unheilvollen botschaft waren gedämpft, alles war im nebel, ich war wie betäubt, wie ruhig gestellt. das kann nicht sein! das ist ein schlechter scherz!
es wird bestandsaufnahme gemacht, was es zu vererben gibt. ich will gar
nicht hingehen zur testamentsverkündung, denn dann muss ich es
akzeptieren.
noch mehr beileidsbekundungen. mit dieser schrecklichen botschaft fallen menschen ein und bekunden ihr mitgefühl. mit jedem weiteren gespräch ist man zurückgeworfen auf das elend, das aus. und das täglich und mehrfach. viel schlimmer sind die sensationslustigen mitmenschen, die etwas abgreifen wollen. informationen bestätigt haben wollen. ihre eigenen ängste und sorgen besprechen wollen, weil ihre versorgung ebenso eingeschränkt werden wird. wieder und wieder muss man durchkauen, was man schon viele male davor gesagt hat und sagen musste. und dabei professionell zu bleiben blieb noch die größte herausforderung.
z o r n / ich bin wütend
wütend bin ich darüber, dass wir doch alles gegeben haben und es doch nicht reichen sollte. trotz kommt auf. "breuninger ist für mich gestorben" wut bahnt sich ihren weg aus dem bauch heraus. was für eine scheiße!
d e p r e s s i o n / ich bin lustlos
der anfang vom ende. wie mit einer schweren bleiweste beladen gehe ich durch den arbeitsalltag. vieles hinterfrage ich anders, sehe es mittlerweile zwecklos oder sinnfrei und tue es in alter manier doch weiterhin. denn trotzdem läuft die maschinerie wie eh und je weiter. zu den basics kommen neue - schließungsnahe arbeiten - dazu. ich mache meine arbeit nur noch für meine mitspieler, nicht mehr für das spiel. anders würde ich mit dem druck nicht klarkommen.
vergossene tränen am "grab". tag für tag müssen wir an unser grab zurückkehren. mit dem leid und dem ende zurechtkommen. immer neue ereigniskarten spuckt das spiel aus. ich komme mit dem verarbeiten nur schwer hinterher.
v e r h a n d e l n / ich bin es mir wert
mit mehr informationen lässt sich auch mehr verhandeln. in umlauf gebrachte fakten geben scheinbaren handlungsspielraum. konkrete erwägungen können gemacht werden. scheinbare großzügigkeiten sollen den weg angenehmer machen. nichts desto trotz steht da ja jetzt niemand und sagt, wo es lang geht. ich rechne mir aus, was der wert der arbeit der letzten jahre ist. die bank verhandelt hart. ich verhandele mit mir selbst, was das alles für einen wert hat oder haben soll oder hatte. fühle mich wie ein klotz am bein, lästig, nicht mehr gebraucht. die fakten stehen im raum und erreichen doch nicht meinen verstand.
z u s t i m m u n g / a n n a h m e / ich kann es nachvollziehen
nachdem der oder
die vermeintlich schuldigen ausgemacht sind, kommen vernünftige gründe hoch:
unternehmerisch ist das eine nachvollziehbare entscheidung. lange haben
wir schon den kampf ums bestehen gekämpft. er gehörte schon zu unserem
alltag. diejenigen, die ihn nicht mehr kämpfen konnten sind nicht mehr
da. die übrigen kämpfer sind meist vollprofis in fleisch und blut. aber
seit einiger zeit ächzen und knirschten auch sie unter der last und den
immer weiter steigenden anforderungen.
in der monopolywelt spitz es sich zu. ich habe mit meinem setting keine chance. kann nur noch zusehen, wie ich in richtung bankrott schlittere. es zeichnet sich ein sieger ab - und das wird keiner der anderen spielfiguren sein. dazwischen immer wieder untereinander die frage: und wie ist dein plan? ich habe mich diesen gesprächen entzogen, sie zu vermeiden versucht.
l e i c h e n s c h a u / das schmutzige kommt ans licht
die aufbahrung ist vollzogen, der sargdeckel ist nicht geschlossen. und man bekommt einiges zu sehen. in diesem ausmaß gänzlich unerwartet kommen riesige menschenmassen. man ist darauf nicht vorbereitet. es muss platz geschaffen werden, damit jeder seinen raum an der kasse bekommt. die meisten sind geduldig und warten beharrlich in der schlange. sie drängeln nicht, warten einfach nur ab, bis sie an der reihe sind. es spielen sich aber auch dramen ab. da sind menschen, die ihre manieren vergessen und sich benehmen wie im schweinestall. achtlos liegengelassene essensreste kommen vielerorts zum vorschein. geld- und raffgier setzt allgemein gültige regeln aus. spuren von manipulation überall. versteckt und doch deutlich zu erkennen dieses erschleichen im großen stil. dies zieht sich über wochen. ich bin entsetzt, enttäuscht und resigniere nur noch. ein letzter hilferuf bringt unterstützung ins spiel, die bank gewährt einen kredit. der wahre sieger aber zählt sein geld, das täglich in die kasse gespült wird. es bleibt nichts anderes als es hinzunehmen. "seht nur vor euch und arbeitet dort. wenn man nach oben schaut, wird einem schwindelig." tränenausbrüche, wenn es mal wieder nicht mehr geht. aufgesetzte fröhlich-freundliche gesichtsmasken, dahinter trauer, null-bock und enttäuschung. die wochen bis zur endgültigen beisetzung ziehen sich unendlich. die gedanken alles hinzuschmeissen sind nicht abwegig.
b e i s e t z u n g / es ist eine große beerdigung gewesen, viele menschen wollten noch profitieren. ein letzter zug in diesem letztel spiel. mit großem tusch gibt es eine latenight-beerdigung. man muss ja mitnehmen, was geht. bis zum schluss. wer braucht das jetzt noch?
l e i c h e n s c h m a u ß / geschlossene gesellschaft
dunkel gekleidete kollegen sitzen um den tisch im aufenthaltsraum. müde gesichter können das chaos der schnäppchenjäger nicht fassen. resignation. fassungslosigkeit. der tisch steht voll mitgebrachter kuchen. für das leibliche wohl ist gesorgt, die seelen hängen durch.
n a c h r u f / ich lasse los und nehme abschied.
ich muss keine hoffnung mehr vermitteln. ich will sie selbst nicht mehr haben müssen. schon gar nicht mehr mit worten suchen müssen. eine enorme befreiung für mich.
nur: es ist kein spiel. wir können es nicht zurück in die schachtel packen, im schrank aufräumen und an einem anderen tag neu starten. es ist das echte leben.
shit happend
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