Mittwoch, 4. Januar 2023

es war einmal und ist doch nie gewesen - 2022

 es war einmal und ist doch nie gewesen...

so beginnen manche märchen.

 

 

mein märchen 2022 erzählt von menschen und ihren abhängigkeiten voneinander. dies zeigte sich im großen, globalen zusammenhang durch den ukrainekrieg, der am 24.februar mit der russischen invasion begann. seitdem erweiterte sich unser wissen um die herkunft mancher rohstoffe und lebensmittel und es wird klarer, wie abhängig wir voneinander geworden sind. 

sonnenblumenöl, mehl und zucker sind in den supermärkten rationiert, es entsteht ein regelrechter kampf um die verfügbarkeit, papier ist so teuer und schwer aufzutreiben, dass manche zeitung nicht in vollem umfang gedruckt werden konnte und die verlage probleme hatten, neue auflagen ihrer bücher zu drucken. handwerker müssen horrend gestiegene kosten tragen für ihr bauholz und feuerholz ist heiß begehrt - die energiepreise steigen in unvorstellbare höhen. kraftstoffpreise müssen staatlich gedeckelt werden, weil sie gekoppelt an die gaspreise sind und dieser durch den ukrainekrieg als druckmittel russlands hergehalten wurde. der übliche lebensmitteleinkauf endet mit einem großen schreck an der kasse und dem fragenden blick in den einkaufswagen, wer denn da noch was zusätzlich hineingelegt hatte. wieder gibt es große ungewissheit, wo diese ereignisse und entwicklungen wohl noch hinführen werden. zum jahresende werden sogar bestimmte medikamente knapp und das gesundheitssystem ächzt und knarrt wieder einmal und steht vor dem kollaps. 

 

 

unsere kinder haben im rahmen ihrer möglichkeiten konkret den neuen flüchtlingen helfen wollen und beide haben wunderbare ideen entwickelt. die kleine hat plätzchen gebacken und ist mit einem bauchladen in der nachbarschaft von tür zu tür gegangen und hat sie verkauft. den erlös haben wir persönlich zu einer sammelstelle gebracht, die mittel sammelt für die ukraine. in meinen augen war dieser moment der wertvollste an der ganzen sache, denn einer der gründer dieses vereins unterhielt sich auf augenhöhe mit der kleinen und fragte sie, für was speziell ihr geld verwendet werden sollte. 

die große hat die idee in ihre klasse gebracht und einen kuchenverkauf angeregt. diese idee wurde auch von anderen klassen aufgenommen und in wöchentlicher abfolge gab es mehrere verkaufstermine an ihrer schule. es war nur ein tropfen auf den heißen stein, aber die leidenschaft, die beide dafür entwickelt hatten, machte mich sehr stolz.

doch es ist noch platz für die vermeintlich kleineren sorgen unseres alltags. hier geht das leben ungebremst weiter und fordert uns heraus. wir hecheln im tempo der schule hinterher. neben den hausaufgaben sind noch aufholarbeiten gefordert: das 1x1 jeden tag üben, jeden tag lesen, zusätzlich vorbereitung auf klassenarbeiten. bloß immer in bewegung bleiben und nicht einrosten. es ist so mühsam die kinder zu motivieren und selbst nicht einzuknicken im motivieren. doch das grundgefühl bleibt: wir rennen hinterher. nach lösungen wird im allgemeinen erst im nachhinein gesucht, anstatt die kinder zu stärken für die anforderungen an das heutige leben, an die ständigen reize, versuchungen und proben. da ist noch so viel mehr als auf papier gebrachtes wissen. wo bleibt die langeweile, wo die phantasie, sich selbst zu beschäftigen und die möglichkeit sich zu sortieren. 

dabei bin ich selbst kräftig am sortieren. aussortieren. neu justieren. unser alltag kostet mich kraft, die ich lange phasen nur schwer auftreiben kann. ich suche nach beständigkeit, nach dem gefühl: jetzt hab ich es heraus, wie es läuft. und ja, im grunde weiß ich, dass beständigkeit in manchen dingen nicht haltbar ist. das zeigen mir die entwicklungsphasen meiner kinder schon seit elf jahren. sobald ich denke, die beständigkeit tritt ein, kommt die nächste lebenschicht dazu und überdeckt das wohlfühlgefühl. 

 

geschichte ist das geschichtete leben 

eine lebensschicht legt sich über die nächste. 

 

dieses jahr habe ich gelernt, besser damit klarzukommen. das zauberwort ist selbstfürsorge. wenn es mir selbst gut geht, kann ich auch für andere da sein. ich bin noch kräftig am üben, aber es fühlt sich gut an, nicht immer zu meinen, für alles und jeden zur verfügung zu stehen und mit meinen eigenen bedürfnissen zurückzustehen. 

 

 

wie funktioniert das? neben dem herunterschrauben meiner eigenen ansprüche an mich und andere, versuche ich vieles gelassener laufen zu lassen. meine unruhe und den drang zu sortieren beruhige ich mit schreiben. die kleinen quadrate bei instagram sortieren in kleinen häppchen einen teil meiner gedankenwelt und verdeutlichen mir selber mehr, wie ich zu den dingen stehe oder öffnen mir nicht selten erst beim schreiben die augen und zeigen mir meine einstellung, wo ich zuvor noch unsicher darüber war.

ich entdecke weiter die liebe zu liedtexten und höre musik anders an als früher. bisher war mir die stimmung und das kribbeln im bauch wichtig. der funke sprang über, wenn sich deutlich gefühle einstellten. freude, überschäumendes glück, traurigkeit oder verständnis. ich vermute nur, dass sich meine schwerhörigkeit schon in die jugend zog und ich deshalb nicht wie andere teens in die texte und tiefgründige botschaften der lieder versunken bin. nun entdecke ich überall fragmente in den liedern, die mir über die melodie hinaus eingängig sind. und es öffnet sich eine neue, tiefgründigere welt für mich. 

 

 



auf sich aufpassen, kürzer treten, nein sagen. darin bin ich schlechtes vorbild, aber ich werde zunehmend besser darin. ich las dieses jahr sehr viel und auch hieraus zog ich manche feinfühlige erkenntnis und schwelgte in phantasievoll gesponnenen geschichten, die mich in meiner gedankenwelt stützten. 


 wo fängt dein himmel an und wo hört er auf?


 

mein märchen handelt weiter von menschen, die mir meine schwächen aufzeigen und mich in meinen stärken glänzen lassen. die mich herausfordern, mich wachsen lassen. die mich versöhnen mit all ihren eigenheiten. menschen, die mich auf digitalem oder realem weg mit ihren gedanken, einstellungen und sichtweisen zum überdenken meiner eigenen klitzekleinen welt bringen.

ich habe gelernt (vielleicht auch schon vorher gewusst, aber nicht begriffen oder verstanden ), dass hinter den verhaltensweisen gründe stehen, weshalb sie sich so geben. dass es antriebe gibt, die ich nicht verstehen und nachvollziehen kann und in meinen eigenen augen nicht richtig erscheinen, für das gegenüber aber eben eine andere nuance von richtig bedeutet. verbundenheit zu Menschen, die ähnlich fühlen, ähnlich ticken und ähnliches durchmachten ploppt auf.  

ich bezahlte in zeit und verschenkte zeit. 

wir waren sehr viel in der natur, haben viele schöne orte entdeckt und lieben gelernt.

manchmal vergeudete ich zeit an jemanden oder etwas, das es nicht verdient hatte.

ich bin nicht allein, obwohl ich manchmal still den kopf schütteln muss über die geschehnisse um mich herum. warum manche menschen nicht in der lage sind umzudenken, ja umzuschalten in einen niedrigeren gang und jahr für jahr im hamsterrad runden drehen und scheinbar nicht hinterfragen, was hier so schief lief? ob manche sachen ihre notwendigkeit verspielt hatten? ob das höher, schneller, weiter und immer noch mehr heutzutage noch angebracht ist? denn so ganz heimlich, still und leise kommen da vorsichtig und total überrraschend formulierte aussagen über genau diese fragwürdigkeiten und ich gewinne unerwartete verbündete hinzu.

kommt ihr noch mit? war das zu unkonkret? 

überlegt mal ein bisschen und erkundet, was das für euch bedeuten könnte!

 

 

kulinarisch tat sich dieses jahr sehr viel. es war stark schokoladig... und viel obst war im spiel... das haltbarmachen war im großen stil angesagt. egal ob marmelade oder gelee, unser ertrag aus dem garten wurde eingekocht und bringt uns im winter die extra fruchtige note beim frühstück. im spätsommer hatte ich mehrmals zakuska eingekocht und somit hoffentlich ein feuer angezündet für dieses herrlich leckere rezept. auf der arbeit gab es auch die ein oder andere möglichkeit, etwas kulinarik einfließen zu lassen.


die größten ereignisse, 

das sind nicht unsere lautesten, 

sondern unsere stillsten stunden 

 

friedrich nietzsche 

 

 

 

 auch dieses jahr mussten wir uns nahe menschen gehen lassen. 

unser bruno ist lili in den katzenhimmel gefolgt. 

 

wir erleben krankheiten bei unseren mitmenschen und bangen mit. leider bringt auch deren wiederholung noch denselben schrecken mit sich. kurz vor den sommerferien erwischt uns corona und all die feierlichkeiten vor den großen ferien gehen ohne uns über die bühne. die erkältungszeit im winter drängt uns einige auszeiten auf. 

 



 

unser märchen erzählt von extremen. von glück und unglück. von harter arbeit und erholung. von der engsten straße der welt auf eine übergroße sitzbank mit tollster aussicht. von krankheit und gesundheit. von schnee im april und saharastaub im ländle. von alten und neuen ritualen.

und das schönste: es erzählt von menschen. 

 

 

 

auf ins neue jahr!

 


 



 


 





















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